Aktionstag Frieden: Diskussion mit Dr. Klinck

Ein Bundestagsabgeordneter klärt die Schüler auf. So oder so ähnlich war die Aktion, welche der 11. Jahrgang am Aktionstag am 14.03.2022 bezüglich der Ukraine durchführten. Der gesamte 11. Jahrgang hat mit dem Bundestagsabgeordneten der SPD-Fraktion, Dr. Kristian Klinck, gesprochen. Herr Dr. Klinck ist Mitglied im Verteidigungsausschuss und konnte daher kompetent auf die Fragen aus der Schülerschaft antworten.

In der Fragerunde wurden viele verschiedene Themenbereiche besprochen wie z.B. Wehrpflicht, Flüchtlinge, Folgen des Krieges auf die Wirtschaft und mögliche Szenarien zum Kriegsverlauf.

Herr Dr. Klinck wies deutlich darauf hin, dass der Krieg nicht zu rechtfertigen sei und Russland vermutlich sogar mit einfacheren Wegen wie Verhandlungen einige Zugeständnisse hätte erreichen können. Zum Thema Wehrpflicht behauptete Herr Dr. Klinck, dass eine Wehrpflicht unwahrscheinlich sei und stattdessen eine allgemeine Dienstpflicht eingesetzt werden könnte, um dem Staat Hilfe zu leisten – nicht nur im Militär.

Spannend war es, Informationen aus einer ganz anderen Perspektive zu bekommen. Während man normalerweise nur Informationen über die Medien bekommt, hatten die Schülerinnen und Schüler nun Informationen unmittelbar von einem politischen Entscheidungsträger. So wurde von Herrn Klinck zum Beispiel über die Vorgeschichte der Krise in der Ukraine aufgeklärt und auch erläutert, dass sich auch die Ukraine nicht immer gut verhalten habe. Dies sind Dinge, die in vielen Medien nicht so stark beleuchtet werden, die aber für die Schüler/innen sehr spannend waren.

In der Fragerunde wurden viele verschiedene Themenbereiche besprochen, wie z.B. Wehrpflicht, Flüchtlinge, Folgen des Krieges auf die Wirtschaft und mögliche Szenarien zum Kriegsverlauf. Hier eine Auswahl:

Wenn Russland auch in die baltischen Länder einmarschiert, kommt dann der Nato-Beistandsfall?

Dr. Klinck: Nein, meiner Einschätzung nach hätte dies Russland zum Anfang des Krieges machen müssen, als das Baltikum durch die Nato noch nicht so aufgerüstet worden war. In den letzten drei Wochen sind die Nato-Truppen im Baltikum sowie in Rumänien massiv verstärkt worden.

Kevin: Zuerst wollte Deutschland nur 5000 Helme liefern, nun werden Waffen an die Ukraine geliefert. Finden Sie diese Kursänderung sinnvoll?

Dr. Klinck: Deutschland hat eines der härtesten Waffenauslieferungsgesetze weltweit. Bisher wurden lediglich Waffen an die Kurden im Syrienkrieg geliefert. Man muss immer die moralischen Überlegungen mitbedenken, sonst ist man Mitschuld am Leid in der Welt.

Lars: Deutschland ist doch gar nicht richtig auf den Bündnisfall vorbereitet.

Dr. Klinck: Stimmt, die Bundeswehr muss anders aufgestellt werden, so werden z.B. Hubschrauber teilweise nicht gewartet, sind Teile der Marine nicht einsatzfähig. Im Bereich der Fahrzeuge ist die Bundeswehr wegen ihrer Auslandsmissionen auf leichtere Fahrzeuge, wie z.B. Jeeps umgestiegen, die für die Wüste geeignet sind. Daher fehlen nun Panzer für die klassische Landesverteidigung, z.B. den “Puma”, da Einheiten aufgelöst worden sind. Daher muss die Bundeswehr neben anderen Fahrzeugen und Ausrüstungsgegenständen mehr Panzer mit einer idealen Einsatzfähigkeit von 80-90 Prozent beschaffen.

Wie sieht das mit der Abhängigkeit Deutschlands vom russischen Gas und Öl aus?

Dr. Klinck: Deutschland ist sehr abhängig  und muss sich nach Alternativen umschauen, dies geht nicht von heute auf morgen.

Fabienne: Kommt nun die Wiedereinführung der Wehrpflicht?

Dr. Klinck: Nein, davon ist nicht auszugehen, dann müsste die deutsche Regierung belegen, dass Deutschland in einer Verteidigungsnotlage ist. Ich halte eher die Einführung einer Dienstpflicht für Männer und Frauen für sinnvoller, da so ein größeres Gemeinschaftsgefühl in der jungen Generation entwickelt wird. So könnten die jungen Menschen ihr Dienst für ein Jahr bei der Bundeswehr, dem THW, im Altenheim oder bei der Freiwilligen Feuerwehr ableisten.

Kann Deutschland der Flüchtlingsbewegung gerecht werden?

Dr. Klinck: Wir haben ein Wohnungsproblem, das wird bei den zu erwartenden hohen Flüchtlingszahlen eine Herausforderung. Generell muss das Einwanderungsproblem anders gelöst werden. Die Ukrainer sind im Gegensatz zu den Syrern gut ausgebildet und können eventuell in ihr Land zurückkehren.

Q: Ukraine-Krieg: die Invasion Russlands in Karten und Grafiken (nzz.ch)

Tjelle: Halten Sie es für wahrscheinlich, dass die Ukraine in die NATO oder Europäische Union kommt? Wie wird der Krieg beendet?

Dr. Klinck: NATO nein, EU irgendwann. Drei Varianten gibt es meiner Meinung nach für das Ende des Krieges: Die Ukraine gibt auf, die Ukraine wird niedergekämpft oder die Ukraine gewinnt, wenn Russland zu große Rückschläge erleidet. Einen Regierungswechsel in Russland sehe ich höchstens, wenn Putin schmutzige Waffen einsetzt. Dann könnte es sein, dass er durch z.B. Militärs entmachtet wird, und ein Regierungswechsel dann beginnt. Allerdings muss es nicht sein, dass Russland danach friedvoller wird.

Kevin: Kann man Putin mit Hitler und der alliierten Appeasement-Politik vor dem 2. Weltkrieg gleichsetzen?

Dr. Klinck: Der Vergleich mit Hitler hinkt, da Putin eher ein Anhänger des russischen Zarenreichs ist und dessen Ausdehnung wiedererlangen möchte. Dazu fehlt die Rassenideologie der Nationalsozialisten. Ein weiterer Unterschied ist die Abschreckung durch das Atomwaffenarsenal beider Seiten, die die Welt vor einem 3. Weltkrieg 70 Jahre geschützt haben. Russland weiß, wenn es Atomwaffen einsetzt, dass die Nato dies dann auch tut.

Herr Johanßon: Wie realistisch ist ein “schmutziger Krieg”?

Dr. Klinck: Leider ist es realistisch, dass Russland Chemie- oder Biowaffen einsetzen könnte.  Russland ist im Kriegsverlauf zu langsam vorgegangen und steckt nun an vielen Orten fest. Zielsetzung des Einsatzes solcher Waffen ist, dass Russland durch diesen Einsatz in eine bessere Verhandlungsposition gelangen würde.

 

Erläuterung:

NATO-Beistandsfall: Die NATO (North Atlantic Treaty Organisation) besteht aus 30 Staaten weltweit. Im Nato-Bündnisfall treten aufgrund des Nato-Vertrags alle Natomitglieder in den Krieg ein, wenn ein Natomitgliedstaat angegriffen worden ist. Eine solche Möglichkeit der kollektiven Verteidigung ist nach Artikel 5 der UN-Charta explizit vorgesehen, bis der UN-Sicherheitsrat angemessene Maßnahmen trifft.

 

 

 

 

 

 

 

 

   
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